Benjamin Barbers Artikel erschien am 4. Dezember in der Süddeutschen Zeitung auf Deutsch (S.14, online nach meinen Recherchen nicht verfügbar). Auf Englisch ist der Artikel über seine Webseite verfügbar, erschienen ist er ebenfalls gedruckt in der Novemberausgabe von The Nation.
Die Unterzeile ist schon ein sehr gute Zusammenfassung seiner Sicht: „Die Demokratie ist in Gefahr, weil wir Meinung und Vorurteil an die Stelle von Wissenschaft und Vernunft gesetzt haben“.
Und weiter zitiert:
„Das Problem ist das folgende: Wenn wir nur noch fühlen und meinen, weil wir überzeugt sind, dass es keine Möglichkeit gibt, unsere Meinung zu bestreiten oder anzuzweifeln, dann wird „eine Meinung zu haben“ dasselbe wie „recht zu haben“. Recht zu haben sticht dann Glaubwürdigkeit und Beweisbarkeit, und wir verlieren unsere Kernfähigkeit, nämlich einzuräumen, dass wir unrecht haben könnten, und dass unsere Ansichten nach irgendwelchen anderen Kriterien beurteilt werden müssen, als nur danach, wie sehr wir von ihnen überzeugt sind.“
Demokratie schließt für ihn zwingend mit ein, Meinung bestätigen aber auch falsifizieren zu lassen. Die derzeitige Bewegung hin zu Social Media birgt, folgt man ihm, damit in sich die Gefahr, das ursprünglich demokratische und (gedacht) demokratisierende Medium Internet durch Extremisierung in ein meinungsdiktatorisches zu verwandeln. Damit steht ein Grundwert unserer Gesellschaft zur Disposition: die Freiheit (des Einzelnen). Barber stellt dazu am Ende des Artikels fest:
„[…] erschreckende Belege für dieses epistemologisches Defizit – für eine lange, zerstörerische Erosion unseres durch die Aufklärung geprägten Glaubens an Vernunft und logisches Denken und unserer Bereitschaft anzuerkennen, dass Tatsachen und gute Argumente sich durchsetzen müssen, wenn die Freiheit überleben soll.“
Diese Freiheit kann man nur verteidigen, indem man die Gefahr einer Meinungsdiktatur der – un(an)greifbaren – Masse darstellt. Ohne Social Media an sich als Teufelswerk zu verdammen. Es geht um den Prozess des Argumenteaustauschs. Es geht jeden Einzelnen an. Es setzt eigenes Denken voraus und eben gerade nicht das Verlassen auf die Empfehlung einer mir nicht bekannten aber (unterstellt) ähnlichen Masse. Diese Faulheit des Nicht-Denkens ist der Freiheit und Demokratie abträglich.