Dies ist eine Ausführung angeregt von Artikel »Wie mächtig Framing wirklich ist«. Dieser Artikel ist motiviert vom kürzlich geleakten ARD Framing Manual.
Ziemlich am Anfang des Spektrum Artikels steht folgendes: „Robert Entman, Koryphäe der Framing-Forschung, schrieb im Jahr 1993: »Trotz der Allgegenwart des Framing in den Sozialwissenschaften sucht man vergebens nach einer Theorie, die erklärt, wie Frames sich in Texte einbetten und sich dort manifestieren oder wie Framing das Denken beeinflusst.«“
Aus soziologischer Sicht (meine erste Studienfachrichtung) gibt es durchaus konkrete Denkansätze zum Thema Framing: Ervin Goffmans Rahmenanalyse (1974, dt. 1977) zeigt, dass Rahmen notwendige Bedingung sind, um überhaupt sinnvoll in Gruppen bzw. in sozialen Situationen interagieren zu können.
Aus unterschiedlichen Beobachtungswinkeln ist es m.E. zwingend notwendig, ein und dasselbe Ereignis unterschiedlich zu rahmen: Ein Ereignis, dass medial für Fernsehzuschauer verbreitet (und durch Kameras „aufbereitet“) wird, hat einen unterschiedlichen Rahmen wie der Rahmen für einen Augenzeugen der live dabei ist. Die Wahrnehmung des Ereignisses dieser Personenkreise ist eine unterschiedliche. Das ist das Thema meiner Magisterarbeit „Die unterschiedliche Wahrnehmung von Ereignissen“ (Tübingen 1995) (NB: Meine Arbeit hört gerade dann auf, wenn es spannend wird, finde ich, wenn ich mir die heute anschaue).
In einen größeren Kontext gestellt: Mit dem soziologischen Klassiker „Die gesellschaftliche Konstruktion von Wirklichkeit“ (Berger Luckmann) bzw. der philosophische Grundlage der Phänomenologie erscheinen mir durchaus theoretische Ansätze vorzuliegen, die erklären, wie „Framing das Denken beeinflusst“, vorausgesetzt das Denken mit erkennbarem Handeln etwas zu tun hat (zumindest gelegentlich, wie wir alle nur hoffen dürfen). Sozialisation im allgemeinen bedient sich ganz selbstverständlich der Rahmensetzung. Das bewusst steuernde interessengetriebene Framing wie im Falle des ARD Framing Manuals ist damit ein Spezialfall zur (H)Erstellung einer spezifischen Wirklichkeit (-sdeutung).
Die ARD ist bei Leibe kein Einzelfall. Politiker machen das in der öffentlichen Auseinandersetzung die ganze Zeit, indem sie versuchen, über ständig wiederholte Nennung „ihrer“ Begrifflichkeiten den Interpretationsstempel des vorliegenden Fakts aufzudrücken – in Diskussionsrunden wird dafür meist mehr Zeit verwendet als für konstruktive Auseinandersetzung.
Die Nutzung des Framing Begriffs im aktuellen Fall ist einer, der Framing als bewusst- und interessens- gesteuert bedeutungssetzend verwendet. Diese Einflussnahme auf die Wahrnehmung von Personen (-gruppen) kann nur dann gut funktionieren kann, wenn Framing allgemein und regelmäßig stattfindet bzw. nach meiner Ansicht stattfinden muss – weil man nur so am sozialen Leben überhaupt teilhaben kann. Framing kann unmöglich nur bewusst absichtsgesteuert sein, sonst würde es nicht oder nur mäßig funktionieren.
Aus linguistischer Sicht (meine zweite Studienfachrichtung) wird man im semantisch-semiotischen Forschungsfeld fündig nach „wie Frames sich in Texte einbetten“ – aus meiner Sicht ist das zentraler Bestandteil z.B. der Sprechakttheorie. Und auch die Medienwissenschaften beschäftigen sich damit, dass es Framing (in medialen Produkten und also auch Texten) gibt: wie sonst kommt man in diesem Fach zu Kritierien für journalistische Qualität? Zumindest habe ich das in den Anfängen des Instituts für Medienwissenschaften in Tübingen gelernt, an dem ich studieren durfte.
Aus meiner Sicht setze ich Herrn Entman (sehr zeitversetzt) entgegnen, dass Framing das Denken nicht nur beeinflusst, sondern ein zentraler – sozial motivierter (ich will teilhaben und von anderen verstanden werden) – Mechanismus des Denkens ist. Framing in der Definition „ich will teilhaben und von anderen verstanden werden“ ist alltäglich und regelmäßig der Fall. Die Frage ist also nicht, ob „man“ das tun sollte oder nicht – es geht nicht ohne.
Man kann darüber diskutieren, wer unter welchen Umständen wie Bedeutungshoheiten zu erlangen sucht. Im vorliegenden Fall kann man sich damit auseinandersetzen, wie legitim es für die ARD ist, sich bewusst derartige Bedeutungsrahmen geben zu wollen und diese dann aktiv in der öffentlichen Außendarstellung zu verwenden.
1 Responses to Framing – geht’s denn überhaupt ohne?