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Anregend: Marktforschung (als notwendiger und bestimmender) Teil der „praktischen Strategieberatung“ wird gemacht aber als solche nicht verkauft

Der BVM Regionalabend in München am 10. November 2016 war ein anregender. Layla Keramat von frog gab Einblicke ins Design Thinking. Qualitative Marktforscher können sich in den dabei angewandten Methoden gut wiederfinden.

Überraschend – eventuell nur, dass es immer noch nicht „anders“ ist?: Es ist kein neues Thema, wie der Beitrag von Oliver Tabino aus dem Jahr 2011 beweist. Ich kann seinen Beitrag komplett „unterschreiben“, emotional wie rational.

Wenn sich Design Thinking von Marktforschung „hart“ abgrenzt, versteht Design Thinking Marktforschung ausschließlich als quantitative (number crunching) Marktforschung. Daher kommt glaube ich das Unbehagen meines Marktforschungsherzens: dass Design Thinking sich die Methoden nur aus der qualitativen Marktforschung „geklaut“ hat. Aber, mein liebes Marktforschungsherz, da gibt’s weder ein Abo drauf noch ein „dürfen doch nur wir“. Design Thinking wendet Methoden der qualitativen empirischen Sozialforschung erfolgreich für unternehmerische Innovation an: das ist toll und – bestimmt nicht nur – bei frog: erfolgreich.

Aus Marktforschungssicht spannend (I):
Hier wird Markforschung angewendet, aber nicht verkauft. Marktforscherische Methoden werden als Mittel zur Produkt-, Service- und Innovations- Entwicklung selbstverständlich angewendet. Das „für“ wird verkauft. Im weitesten Sinne lässt sich das Produktportfolio von frog als praktische Strategieberatung und -Umsetzung“ zusammenfassen. Der Erfolg des Unternehmens beruht darauf, aus marktforscherischen Ergebnissen unmittelbar etwas für den Kunden „handfestes“ zu machen, entwickeln, generieren, umzusetzen.

Pointiert: Marktforschung machen ohne Marktforschung zu verkaufen, sondern das was die Forschung zu Tage fördert.

Aus Marktforschungssicht spannend (II):
Design Thinking und Marktforschung haben viel gemeinsam und können voneinander lernen.

Die qualitative Marktforschung kann lernen, wie Ergebnisse praktischer, direkter für Unternehmen umgewandelt – angewendet werden können – warum nicht sich einen „Designer“ ins Boot holen, der handfeste Vorschläge macht? siehe römisch (I): warum nicht vom Erfolg von frog lernen und variieren?

Design Thinking wiederum kann sich methodische Kreativität von qualitativer Marktforschung abholen. Ich habe da spontan an Dialogische Introspektion gedacht. Das liegt nahe. Mit der Methode habe ich mich zusammen mit meinem Kollegen Heribert Simmel und einem der dazu maßgeblichen Wissenschaftler Dr. Thomas Burkart intensiv befasst und diese aus der Psychiatrie stammende Behandlungsmethode für die kommerziell orientierte qualitative angewandte Marktforschung erfolgreich überführt.


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Sozial wie gehirnphysiologisch werden Wörter (und Handlungen) gerahmt

In der Zeit 10/2016 wird auf S. 9 ein Gespräch mit der in Deutschland geborenen in Amerika beruflich aktiven Linguistin Elisabeth Wehling veröffentlicht. Schon Ende 2014 hat die Zeit zum selben Thema den Arikel Große Worte, subtiler Einfluss veröffentlicht. Wörter werden im Hirn gerahmt. Ein Beispiel im Artikel: Flüchtling. Elisabeth Wehling: „Die Endung »-ling« macht diese Menschen klein und wertet sie ab. Denn das Kleine steht im übertragenen Sinn oft für etwas Schlechtes, Minderwertiges.“ Das Hirn rahmt Wörter oder  in die naheliegendsten Zusammenhänge des bisherigen gesamten (hirnphysiologisch gespeicherten) Erfahrungshorizonts.

Für mich spannend, dass das sehr gut harmoniert mit einem meiner favorisierten Soziologiefachbücher: Rahmenanalyse von Ervin Goffman. Seine Theorie wird durch die im Beitrag dargestellten Erkenntnisse noch nachvollziehbarer. Denn was das Hirn mit Wörtern macht („die naheliegendsten Zusammenhänge schaffen“), funktioniert beim sozialen Handeln laut Goffman ganz genauso.

Das bedeutet: kein Wort kann neutral verwendet werden wie auch kein soziales Verhalten ohne Rahmen für den Einzelnen Sinn ergibt oder der Einzelne ohne Rahmen sinnvoll auf das Handeln anderer (re-) agieren könnte.

Elisabeth Wehling stellt dar, dass in den USA (aber auch ganz bestimmt hier in Deutschland und überall auf der Welt) aktive Rahmung betrieben wird, d.h. Lobbyarbeit beginnt schon damit, die richtigen Wörter auf die politische Agenda zu setzen, um die richtige Stimmung beim Zielpublikum zu erzeugen. Elisabeth Wehling verdient ihr Geld in diesem Kontext.

Das heißt nicht, dass dies immer ein bewusster Vorgang hinsichtlich der linguistischen Bedeutung ist. Denn schon allein, wie sich politische Parteien sprachlich in Themen abgrenzen. Im Gespräch wird folgendes Beispiel verwendet: SPD sagt Mindestlohn, CDU sagt Lohnuntergrenze. Funktional grenzt man sich gegen die andere Partei ab, zugleich wird über die erforderliche Abgrenzung ein passender Begriff gesucht: daraus entsteht das optimierte Abholen der eigenen Klientel (SPD: Arbeiter, CDU: Unternehmer).

Das Bewusstmachen wie sprachliche Ausdrücke eingesetzt werden, um eine spezifische Rahmung zu erzeugen bzw. abzurufen, sollte im Kontext der medialen Erziehung eine Rolle spielen, da dadurch der bewusste und kritische Umgang mit Sprache gefördert wird. Sprache ist ein essenzieller Baustein, soziale Zusammenhänge zu konstruieren und manifestieren. Damit würde also auch zugleich das Bewusstsein gefördert, wie jeder Einzelne seine sozialen Handlungsrahmen aktiv über seine Sprache beeinflussen und entwickeln kann.

Im angesprochenen in der aktuellen Zeit veröffentlichten Gespräch zeigt Elisabeth Wehling eine medienpraktische Schlussfolgerung auf, die ich mitrage: „Es ist wichtig, dass auch Journalisten sich klarmachen, wer welche Frames  [FH: englisch für Rahmen] benutzt und wie sie wirken. Denn man kann Framing für politische Propaganda missbrauchen. Aber man kann das Wissen darüber auch nutzen, um die Ideologie, die hinter Wörtern steckt, offenzulegen. Das wäre eine große Leistung. Die würde das Vertrauen in die Medien wieder stärken.“

Wie von mir beschrieben: ich sehe die Erziehung wie Sprache bedeutungs- und handlungsrahmend wirkt schon im (schulischen) medienerzieherischen Kontext. Dies wird sich nicht von heute auf morgen in den Lehrplänen niederschlagen (ich hoffe optimistisch: es wird sich niederschlagen). Insofern können Journalisten (und deren Ausbildungsstätten) schneller reagieren und Elisabeth Wehlings Ratschlag folgen.


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POPC – permanently online, permanently connected

Kategorie: Allgemein,Markt- und Mediaforschung — Tags: 22:15 14. Februar 2016

In der Zeit 5/2016 auf S. 33 und online hier schreiben Peter Vorderer und Christoph Klimt über die Folgen, die das permanent aktivierte Smartphone auf den sozialen Umgang hat. Sie entwickeln 17 Thesen, was wird sich wie für den Einzeln verändern wird. Ausführlicher werden die Thesen in der Fachzeitschrift Publizistik 03/2015 dargestellt.

Ganz nebenbei: Klingt dröge, flach, untief, uninteressant. So möchte ich nicht leben. Jedoch: andere, jüngere werden so (ähnlich) leben (wollen).

Marktforscherisch ist das eine schwierige Zielgruppe. Denn eine Einzelperson hat wenig selbst zu sagen, sondern stimmt lediglich zu oder auch nicht (These 17).

Ganze Felder der Marktforschung und der angewandten Sozialforschung sind „vom Aussterben bedroht“:
Crowd-Befragung und Big Data (Thesen 2 und 3) werden (auch) qualitative Marktforschung weitestgehend ablösen.
Teilnehmende Beobachtung wird ersetzt durch GPS und Onlinetracking basierte Verfolgungsmechanismen. Wobei damit ein entscheidender Aspekt der Beobachtung mit dem Auge des Beobachters weg fällt. Dieses Minus wiegt für mich deutlich schwerer als das Plus einer vermeintlich größeren Objektivität (die absolut praktisch unerreichbar bleiben wird).

Soziologisch gesellschaftlich stelle ich die These auf, dass diese starke Veränderung von Leitlinien, die eine Person und seine Position innerhalb der Gesellschaft bestimmen, eine starke Gegentendenz zur Folge hat. Es also eine (große) Gruppe Menschen der „nächst-nächsten“ Generation geben wird, die sich der Totaltransparenz und permanenten Sozialkontrolle verweigern, schlicht als Folge generativer Abgrenzungsmechanismen.

Es bleibt dringliche Aufgabe der Politik und Gesellschaft, den Diskurs über die Auswirkungen der digitalen Techniken auf  Gesellschaft und Einzelperson anzustoßen – siehe dazu auch mein früherer Blogbeitrag zum Digital Manifest. Führen sollten wir diesen Diskurs alle.


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Anmerkungen zum Digital Manifest (ein Appell zur Sicherung von Freiheit und Demokratie)

Kategorie: Markt- und Mediaforschung — Tags: , , , 16:24 3. Januar 2016

In Spektrum der Wissenschaft 1/2016 ist eine hochspannende Artikelserie genannt das Digital Manifest abgedruckt. Online abrufbar ist unter anderem der grundlegende Artikel und die Handlungsvorschläge der Wissenschaftler, die sich dafür aus unterschiedlichen Forschungs(ein-)richtungen zusammengetan haben.

Für mich ein Punkt, an dem sehr komplexe Wissenschaft – und das ist die algorithmengesteuerte digitale Welt – sehr nah an einen ursprünglichen Punkt der (demokratischen) Gesellschaft stößt. Bei dem sich entscheidet, wie es um einen existenziellen Grundwert dieser Gesellschaftsform, der persönlichen (Entscheidungs-) Freiheit des Einzelnen, in Zukunft bestellt sein wird.

Das Digital Manifest stellt ein Zitat Kants voran:

 „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen.“
Immanuel Kant, Was ist Aufklärung? (1784)

Im Extrem (für die einen, im Ideal für die anderen) führt das algorithmengesteuerte Vorschlagwesen digitaler Unternehmen zu diesem Punkt. Was Kant als Ausgang und damit Beginn deutet, wäre hier das Ende einer Entwicklung, das Anlegen von nicht abnehmbaren (digitalen) Scheuklappen.

Doch könnte eine Gegenbewegung (und historisch gesehen gibt es deren viele) einsetzen, die Personen veranlasst, aus (schlechter) Erfahrung keinerlei persönlichen Informationen preisgeben zu wollen. Praktisch niemanden. Was den Rücksturz in die subsitenziale Steinzeit bedeutet, die räumlich wie gesellschaftlich beschränkt, streng persönlich überschaubar klein und steuerbar bleibt, so dass nur im engsten sozialen Rahmen der soziale Klebstoff ‚Vertrauen‘  verwendet werden muss. Für mich persönlich keine brauchbare Alternative zur gegenwärtigen Gesellschaftsform.

‚Bevor es soweit ist‘ wollte ich dem folgenden Abschnitt beginnen. Das ‚bevor‘ trifft nicht zu. Wir sind bereits mittendrin. Jedoch ist Veränderung, Anpassung möglich und nötig, um unsere derzeitige gesellschaftliche Lebensform im Grundsatz  zu erhalten. Wer könnte die Auswirkungen dieser extrem dynamischen Entwicklung der Digitalisierung der Lebenswelt im Vorhinein erkennen?

NB: auch Karl Marx hat nicht etwa im Vorhinein vor etwas zukünftigen gewarnt, sondern die Industrialisierung, eine fast ebenso dynamische Veränderung der Gesellschaft im 19. Jahrhundert praktisch beobachtet, die Auswirkungen und dadurch entwickelnde gesellschaftliche Prozesse beschrieben. Streng genommen hat er keine Handlungsoptionen dargestellt, sondern hergeleitet, welches Ende das kapitalistische System nehmen wird. In dem Sinne ist Marx Theoretiker geblieben. Im Gegensatz zu den Wissenschaftlern des hier vorliegenden Digital Manifests.

Nur im offensiven Umgang werden wir zukünftig Menschen für unsere Untersuchungszwecke gewinnen können. Denn im Kern soll Marktforschung Produkte besser machen, Konsumenten und deren Handlungen besser verstehbar zumachen. Und dadurch natürlich auch steuerbarer: auf was anderes zielt eine Marketingmaßnahme ab?

Ist das Misstrauen „was alles (unterstellt) böses mit meinen Daten passiert“ in den Köpfen, ist es praktisch unmöglich, ein Geschäftsinteresse als legitim und für den Befragten letzten Endes nützlich und vorteilhaft glaubhaft zu beschreiben.

Damit nützt es aus meiner Sicht nichts, den eigentlichen Zweck einer marktwirtschaftlichen Marktforschung zu verbrämen, nämlich: den besseren Verkauf eines Produktes.

Marktforscher sollten die vorliegende europäische Gesetzesnovelle zum Datenschutzgesetz nutzen, um einer „Entmündigung des Befragten“ (ein abgewandeltes Zitat des Digital Manifests) vorzubeugen. Also versuchen, die das Forschungsinteresse transparent und glaubwürdig zu vermitteln.

Schwierig(er) wird das bei „digitaler Beobachtung“, dem Tracking (auf Webseiten, persönlichen Geräten wie etwa Smartphones etc.). Denn dieses entgeht der konkreten Aufmerksamkeit des Befragten während der Nutzung (=marktforscherisches Datensammeln).

Die Branche kann und sollte sich damit abgrenzen von Unternehmungen, die durch digitales Tracking im Ideal eine Person ohne zukünftige Handlungsalternativen „erschaffen“ wollen, die im Sinne Kants vollständig geleitet wird vom anderen.

Wollen wir ein Konsumentengaul mit angelegten Scheuklappen sein, der vom Kutschbock durchs digital verfolgende Kutscher-Unternehmen dem nächsten „Belohnungslevel“-Hafersack entgegen strebt, ohne wirklich zu wissen, was wir da hinter uns herziehen?

Wollen wir nicht?! Wollen wir dann solche Befragte? Ich sicher nicht.


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Das Paradoxe: stehenbleibende – nein? ja? Oder doch vielleicht? gibt es nicht für künstliche Intelligenzen

Der entscheidende Satz im Kinofilm Her von Spike Jonze: Samantha [d.i. die künstliche Intelligenz – KI]: now we know how it is. Jetzt wissen wir wie es ist [in diesem Fall: das Verliebt sein]. Und dann ist die KI weg. Um m e h r zu suchen. Um sich weiter zu entwickeln. Denn eine KI m u s s sich fort entwickeln. Immer weiter. Ist so programmiert.

Das menschliche Paradox, sich einerseits ständig weiter entwickeln zu wollen und andererseits zugleich Gefühle beständig, unveränderlich zu halten (wenn das mitunter auch heißt, diese ständig im Fluss zu halten), es aber grundsätzlich s e i n und nicht immer nur w e r d e n zu lassen (so könnte man Glück definieren) – kann man das programmieren? Ich glaube nicht. (NB: ich bin froh darüber.)

Hat auch eine berufliche Konsequenz: die Erklärung, warum Menschen etwas tun, wird nie vollständig sein, aber Menschen sind weitaus besser in der Lage, das menschliche (Grenz-)Verhalten zu erklären als es eine künstliche KI je könnte. Das Paradoxe, Halbwahrheiten, das Sich-nicht-eingestehen, das Verwirrt sein. Ein emotionaler Zustand an sich kann wohl von einer KI erkannt werden, aber im Interpretieren, welche Folgen die paradoxen, die unklaren, die schmalen Grate für Menschen haben, w a r u m sie sich unlogisch, manchmal geradezu katastrophal schief und schlecht entscheiden: da werden Menschen der künstlichen Intelligenz überlegen sein. Qualitative Interpretation von paradoxen Daten (explizit: nicht mit dem physikalischen Chaos zu verwechseln) ist also mein USP als qualitativer Forscher gegenüber Big Data.


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Methodenvorstellung: Die Dialogische Introspektion in der Qualitativen Marktforschung

Kategorie: Markt- und Mediaforschung 21:55 9. Januar 2012

Diese Methode biete ich aktiv gemeinsam mit meinen Kollegen vom qualitativem Forschungslabor in Hamburg an. Ein spannender wertvoller Blickwinkel ins Erleben des Konsumenten.

Sie hätten gerne Anschauungsmaterial? Unser Eigenprojekt haben wir durchgeführt zum Thema Modeeinkauf von Frauen, was ein Kleidungsstück zum Lieblingsteil werden lässt, welche Rolle Zeitschriften bei der „Modebildung“ spielen und sind daneben auf die Unterschiede zwischen Katalog- und Vor-Ort- Shoppen eingegangen.

Sie wollen mehr darüber erfahren? Melden Sie sich – bei mir direkt oder beim QFL – Qualitativem Forschungslabor.

Was ist Dialogische Introspektion?

Die Dialogische Introspektion ist eine Forschungsmethode zur Untersuchung bewusster innerer Vorgänge des Erlebens wie Denken, Erinnern, Fühlen, Vorstellen durch Selbstbeobachtung.

Die Methode wird in Gruppen durchgeführt, wobei die Gruppensituation dazu genutzt wird, um die oftmals unvollständige und chaotische Alltagsintrospektion systematisch zu erschließen und damit in ihrer Qualität zu verbessern.

Wer hat die Dialogische Introspektion entwickelt?

Sie wurde in den letzten Jahren an der Hamburger Universität im Rahmen der Hamburger Forschungswerkstatt  entwickelt (vgl. Burkart, Kleining, Witt: Dialogische Introspektion, VS Verlag, 2010).

Die Methode wurde an einer Vielzahl von unterschiedlichen Themenbereichen (Rezeption von Medien, von Architektur, Gefühls- und Erwägensprozesse, Erleben im Alltag) mit großem Erfolg erprobt.

Wie wird die Dialogische Introspektion durchgeführt?

  • Vorlage / Vorgabe eines Stimulus / einer Situation.
  • Jeder Teilnehmer beobachtet sich selbst und „hört in sich hinein“, soll sich treiben lassen.
  • Diese Selbstbeobachtungen zeichnet der Teilnehmer schriftlich für sich auf.
  • Jeder Teilnehmer stellt in einer ersten Runde seine Introspektion den anderen Teilnehmern mündlich vor, ohne dass er verbal oder non-verbal unterbrochen oder kommentiert wird.
  • Jeder Teilnehmer hat in einer zweiten Runde die Möglichkeit, seine Introspektion zu ergänzen und zu vertiefen, wenn ihm in der ersten Runde  durch das Gehörte  Ergänzungen eingefallen sind.

Die Analyse erfolgt durch Suche nach Gemeinsamkeiten in den Daten nach den Regeln der qualitativ-heuristischen Sozialforschung.

Was sind die Vorteile dieser Methode?

  • Sehr persönliche, vielschichtige und komplexe Beschreibung dessen, was der Stimulus auslöst.
  • Emotionale, unzensierte Beschreibung des Stimulus in seiner individuellen Wirkung und Bedeutung.
  • Geringe gruppendynamische Einflüsse, der Moderator ist hauptsächlich Instruktor.
  • Keine Begrenztheit in der Durchführung – Introspektion kann zuhause, im Studio oder zwischendurch gemacht werden.
  • Für viele Fragestellungen und Stimulusformen geeignet.
  • Anschlussfähig an andere qualitative und quantitative Methoden – GDs, Einzelinterviews, Selbstausfüller, Tagebücher, „Hausbesuche“, Home-Use Tests.
  • Soziodemografische, internationale und interkulturelle Vergleiche möglich.
  • Die Auswertung des Datenmaterials fokussiert  auf die Gemeinsamkeiten der einzelnen Introspektionen. Damit können individual-situative und überindividuell verallgemeinerbare Einsichten gewonnen werden.

Wie lässt sich die Dialogische Introspektion in der Marktforschung einsetzen?

Das subjektive Erleben des Konsumenten ist bedeutsam für seine Haltung zu Produkten. Es bildet die Basis für seine Konsumentscheidungen und spiegelt seine Erfahrungen bei der Produktverwendung und -nutzung. Während andere Methoden nur einen fragmentarischen introspektiven Anteil haben, ermöglicht es die Introspektion am besten, dieses Erleben zu erfassen, z.B.

  • Erlebnisqualitäten von Produkten,
  • Erleben bei Konsumentscheidungen,
  • Erleben des Kaufkontextes,
  • Erleben von Konsumsituationen.

Welche Untersuchungstypen sind möglich?

Experimenteller Ansatz
Konsumenten werden mit Produkten, Produktaspekten, Kommunikation konfrontiert.

Retrospektiver Ansatz
Konsumenten werden gebeten, sich an ihr Erleben von Produkten, Konsumsituationen, Kaufentscheidungssituationen zu erinnern.

Ökologischer / ethnografischer Ansatz
Konsumenten registrieren ihr Erleben in ihrem Alltag in der relevanten Konsumsituation und kommen später in der Gruppe zusammen, um ihr Erleben mitzuteilen.

Falls Sie diese Methode interessiert, erhalten Sie weitere Informationen:

QFL – Qualitatives Forschungslabor

Copyright
© QFL-Qualitatives Forschungslabor / simmelbarsch.forschung Hamburg


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Missverständnis „Fokusgruppe 2.0“

Kategorie: Markt- und Mediaforschung — Tags: , , 17:22 23. Juni 2011

Hier das Intro einer Xing Marktforschungsgruppe:

„Focus Groups, die wie Spielgruppen aussehen
Ein Dutzend Frauen arbeitet in meditativer Stille, während sie behutsam Collagen aus Barbie-Puppen, großen bunte Lutschern und Stücken von Federboas auf schwarzen Holzfaserplatten arrangieren. Ein Kunstprojekt? Die neueste Nachmittagsbeschäftigung gelangweilter Upper East Side-Hausfrauen? Weit gefehlt! So sehen die neuen Fokusgruppen der New Yorker Marktforscherin Malika Sanna, Gründerin von Spark NYC aus, die damit Kunden wie Unilever oder Time Warner Cable zu einem tieferen Einblick in die Emotionen ihrer Kunden verhilft.“

Der link zum NYT Artikel, aus dem diese Beschreibung entnommen ist: http://nyti.ms/mCWJjl

Sieht so die Fokusgruppe 2.0 aus?

Auch so. Ist meine Antwort. Darin liegt das Missverständnis. Denn da ich keine perfekte Methode kenne, wird keine Methode andere komplett ablösen können. Es wird für geeignetere Anwendungsmöglichkeiten für die eine oder die andere geben. Als methodischer Berater obliegt es uns Marktforschern, die für das anstehende Projekt bestmögliche Methode vorzuschlagen – ohne zu verschweigen, was durch die gewählte Methode eben nicht so gut abgedeckt werden kann.

Werden Kunden-, Nutzer- oder Zielgruppenblogs Fokusgruppen ersetzen? Zweifelsohne sind das interessante Optionen, zumal die Auswertung einerseits manuell, andererseits mit Social Media Analyse Tools durchgeführt werden kann. Allerdings: Ein Blog wird vom aktiven Verlautbarungsinteresse der Kunden, Nutzer oder Zielgruppen gesteuert. D.h. darin werden Aspekte, die erst auf den zweiten Blick wichtig sind, z.B. solche, ohne die etwas nicht wichtig wäre, potenziell unterschätzt bzw. nicht berücksichtigt. Blogger (be-)schreiben nicht Dinge, die für sie grundsätzlich und vorausgesetzt „so sind“. Für derartige Insights empfiehlt sich eine (Moderations-) gesteuerten qualitativen Forschung.

Für jedes Projekt sollte die Methode „Fokusgruppe“ angepasst werden auf das Sujet, die Interessen des Auftraggebers. Gute Fokusgruppen sind also stets individuell auf das bestimmte Projekt zugeschnitten.

Meist entstehen ja gerade in der Auseinandersetzung des konkreten Projektes Ideen, die sich dann in „neuen Methoden“ manifestieren. Das funktioniert aber nur, wenn man methodisch offen bleibt und, wenn es das Projekt erfordert, auch mal zur „normalen“ Fokusgruppe greift. Weil auch dieses Instrument mitunter die beste Methode darstellen kann.

Siehe dazu auch mein Forenbeitrag inkl. Diskussion auf Xing: Warum eigentlich sind „normale“ Fokusgruppen in Verruf geraten?


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Online & Social Media Research Seminar

Zusammen mit zwei Kollegen biete ich unter dem Dach von Management Circle ein Online & Social Media Research Seminar an. 3x in Deutschland von Ende August bis Ende November. Infos unter http://bit.ly/lIGkJa. Oder gerne mich kontakten.

In dem Management Circle Seminar erfahren Sie, wie Sie neue Kanäle für Ihre Online-Marktforschung nutzen.

Das Seminar zeigt Ihnen Ergebnisse von Studien zu Datenerhebungsprozessen mit Social Media-Tools. Neben wichtigen methodischen, technischen und rechtlichen Grundlagen lernen Sie auch Hürden und Fallstricke in der Praxis kennen. Zudem bekommen Sie wertvolle Tipps für Ihre individuelle Online-Erhebung an die Hand.

Wir haben für Sie das Intensiv-Seminar „Social Media Research“ konzipiert, in dem ich mit meinen beiden erfahrenen Expertenkollegen, Prof. Dr. Holger Lütters und Marc Egger vermitteln, wie Sie Lösungsansätze für Ihr individuelles Projekt entwerfen. Sie erhalten direkt praktische Beratung für die eigenständige Umsetzung im Unternehmen.

Ihr PLUS: Von der Praxis für die Praxis!

24. und 25. November 2011 in München

Management Circle Logo


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Buchreflexion: Mathias Binswanger „Sinnlose Wettbewerbe“

Kategorie: Markt- und Mediaforschung 09:32 18. März 2011

Worum geht es? Binswanger beschreibt den Ausgangspunkt seines Buches „Sinnlose Wettbewerbe“ so:

„Die heutigen gesellschaftlichen Ideale kommen in abstrakten Begriffen wie „Effizienz“, „Exzellenz“, „Leistung“, „Markt“, „Wettbewerbsfähigkeit“, „Innovation“ oder „Wachstum“ zum Ausdruck und in unzähligen Wettbewerben versuchen wir uns gegenseitig mit diesen Idealen zum übertrumpfen.“ (S.14)

Im Installieren eines Wettbewerbs wird eine Effizienzsteigerung gesehen, ganz gleich, ob die vielen künstlichen Wettbewerbe, d.h. Wettbewerbe ohne echten Markt, inhaltlich zu einer optimalen Produktion oder auch optimalen Anpassung auf die Nachfrage führt. Im Sport dominieren Wettkämpfe, in denen es darum geht, besser zu sein als der Mitwettbewerber. Das gilt ebenso für die künstlich inszenierten Wettbewerbe ohne Markt. Die Teilnehmer fokussieren auf den Sieg und nicht die (absolute) Leistung.

„Ziel eines Professors ist es dann nicht mehr, eine bestimmte publizistische Leistung zu erbringen, sondern mehr zu publizieren als andere Professoren […].“ (S.54)

Dadurch wird das eigentliche Ziel dieser künstlich inszenierten Wettbewerbe, die Qualität zu steigern, z.B. ein besseres Gesundheits- oder Bildungssystem zu erhalten, aus den Augen verloren. Kernkritikpunkt Binswangers ist, dass der Versuch scheitert, Qualitatives über quantifizierbare Daten zu erfassen. Es werden Daten gesucht, die wettbewerbstechnisch gerankt werden können. Im zitierten Beispiel wäre zum Beispiel das Ziel, die Qualität eines Professors über die Anzahl der veröffentlichten Publikationen zu messen. Dieser künstliche geschaffene Wettbewerb verführt lediglich dazu, viele Publikationen zu veröffentlichen. Inhaltlich wirkt es der Qualität des einzelnen Beitrags entgegen, da versucht wird, Erkenntnisse mittels Salamitaktik auf viele Artikel aufzuteilen. Die Güte eines Professors kann man eben nicht über die Länge seiner Veröffentlichungsliste messen, sondern muss sich die Qualität der veröffentlichten Inhalte anschauen. Diese zu beurteilen ist letztendlich aber nur subjektiv möglich. Derartige subjektive Urteile sind begründbar und müssen begründet werden. Dabei muss jedoch nicht jedes Argument mit Zahlen belegbar sein, um als nachvollziehbar zu gelten.

„Qualität ist grundsätzlich nicht messbar, und das gilt es zu akzeptieren. Es spricht nichts dagegen, Kennzahlen zu definieren und zu ermitteln, aber diese dürfen nicht mit Qualität gleichgesetzt werden. Man kann durchaus die Zahl der Dreifachsprünge bei einer Eiskunstlaufkür messen, aber diese Zahl ist nicht identisch mit ihrer Qualität. Und wenn man versucht, der Qualität mit immer mehr Indikatoren auf die Spur zu kommen und ganze Indikatorensysteme kreiert, dann sieht man schnell einmal vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr. Und ein immer genaueres Ausmessen von Bäumen ermöglicht einem nicht, die Qualität des Waldes besser zu verstehen“ (S.218f)

Der Installation vieler künstlicher Wettbewerbe folgt jedoch die Installation einer Bürokratie, die dazu neigt, den Wettbewerb auszuoptimieren, das heißt immer komplexer und komplizierter zu machen. Dies erhöht die Ineffizienz, denn das eigentliche Ziel wird immer mehr aus den Augen verloren, da man dem messbaren Ersatzziel „huldigt“, also die im Zitat erwähnte Vermessung der Bäume ausoptimiert, ohne darüber nachzudenken, dass dies nicht dazu führt, die Qualität des Waldes an sich besser zu verstehen.

Ein Abschaffen dieser sinnlosen Wettbewerbe führte zu mehr subjektiven Entscheidungen. Dies würde die echte Übernahme von Verantwortung auf die Person, die entscheidet, implizieren. Denn gerade subjektive Entscheidungen müssen begründet werden. Dies zeigt wiederum, dass eine Person Sache und Entscheidung reflektiert hat. Durch sinnlose Wettbewerbe hingegen wird die Verantwortung zu Kennzahlen abgeschoben, die inhaltlich am Eigentlichen vorbei zielen und mit denen sich inhaltlich niemand intensiv auseinandersetzt und auskennt.

Auch wir Marktforscher stellen häufig (zu recht!) Zahlen ins Zentrum unserer Argumentationen. Bloße Zahlen erklären aber nichts, es sei denn man liefert eine fundierte Interpretation. Letzten Endes ist diese Interpretation eine subjektive. Für die wir Verantwortung übernehmen sollten. Schließlich wollen wir für diese Qualität bezahlt werden und glauben uns gerade darin zu unterscheiden.

Darüber hinaus lassen sich manche Fragen durch keine gemessene Zahl angemessen beantworten. Fürsprache für zahlenlose qualitative Forschung scheint in dem Umfeld, welches Binswanger entwirft, zuweilen schwer vermittelbar. Verantwortliche Beratung schließt jedoch mit ein, dem Kunden die Methodenauswahl auseinanderzusetzen und inhaltlich sinnvoll zu begründen.

Das zentrale Interesse sollte dabei die Beantwortung der Fragen des Kunden sein, nicht das Verkaufen von Methoden, die wohl klingen und mit einem © oder ™ versehen sind, aber an der Fragestellung knapp vorbei zielen. [amazon asin=3451303485&text=www.amazon.de]


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Verdient Aufmerksamkeit: Demokratie ist gefährdet, wenn Meinung an die Stelle der Vernunft gesetzt wird

Kategorie: Markt- und Mediaforschung — Tags: 11:03 23. Dezember 2010

Benjamin Barbers Artikel erschien am 4. Dezember in der Süddeutschen Zeitung auf Deutsch (S.14, online nach meinen Recherchen nicht verfügbar). Auf Englisch ist der Artikel über seine Webseite verfügbar, erschienen ist er ebenfalls gedruckt in der Novemberausgabe von The Nation.

Die Unterzeile ist schon ein sehr gute Zusammenfassung seiner Sicht: „Die Demokratie ist in Gefahr, weil wir Meinung und Vorurteil an die Stelle von Wissenschaft und Vernunft gesetzt haben“.

Und weiter zitiert:

„Das Problem ist das folgende: Wenn wir nur noch fühlen und meinen, weil wir überzeugt sind, dass es keine Möglichkeit gibt, unsere Meinung zu bestreiten oder anzuzweifeln, dann wird „eine Meinung zu haben“  dasselbe wie „recht zu haben“. Recht zu haben sticht dann Glaubwürdigkeit und Beweisbarkeit, und wir verlieren unsere Kernfähigkeit, nämlich einzuräumen, dass wir unrecht haben könnten, und dass unsere Ansichten nach irgendwelchen anderen Kriterien beurteilt werden müssen, als nur danach, wie sehr wir von ihnen überzeugt sind.“

Demokratie schließt für ihn zwingend mit ein, Meinung bestätigen aber auch falsifizieren zu lassen. Die derzeitige Bewegung hin zu Social Media birgt, folgt man ihm, damit in sich die Gefahr, das ursprünglich demokratische und (gedacht) demokratisierende Medium Internet durch Extremisierung in ein meinungsdiktatorisches zu verwandeln. Damit steht ein Grundwert unserer Gesellschaft zur Disposition: die Freiheit (des Einzelnen). Barber stellt dazu am Ende des Artikels fest:

„[…] erschreckende Belege für dieses epistemologisches Defizit – für eine lange, zerstörerische Erosion unseres durch die Aufklärung geprägten Glaubens an Vernunft und logisches Denken und unserer Bereitschaft anzuerkennen, dass Tatsachen und gute Argumente sich durchsetzen müssen, wenn die Freiheit überleben soll.“

Diese Freiheit kann man nur verteidigen, indem man die Gefahr einer Meinungsdiktatur der – un(an)greifbaren – Masse darstellt. Ohne Social Media an sich als Teufelswerk zu verdammen. Es geht um den Prozess des Argumenteaustauschs. Es geht jeden Einzelnen an. Es setzt eigenes Denken voraus und eben gerade nicht das Verlassen auf die Empfehlung einer mir nicht bekannten aber (unterstellt) ähnlichen Masse. Diese Faulheit des Nicht-Denkens ist der Freiheit und Demokratie abträglich.